Zauberei, ist eine Kunst, Illusionen entstehen zu lassen, die hauptsächlich durch Kommunikation mit dem Betrachter zustande kommen. Die „Kunst der freundlichen Täuschung“ gehört zu den ältesten und am weitest verbreiteten Formen der Unterhaltung. Eine Ausstellung, die sich der Zauberkunst und ihrer Entwicklung im 18. und 19. Jahrhundert widmet, ist derzeit im Ausstellungskabinett der Wienbibliothek im Wiener Rathaus zu sehen. Im Mittelpunkt der Präsentation stehen Zauberbücher, die sich vor allem im 18. Jahrhundert wachsender Beliebtheit erfreuten und unterschiedliche Funktionen hatten: als zauberkünstlerische Grammatik, schriftliches Repertoire der Tricks, als Aufklärung über die Täuschung, als Reklame für Magier oder als Anleitung für Autodidakten.
Pretiosen aus der Sammlung der Bibliothek waren bereits in der Vergangenheit in ausgewählten Ausstellungen zu sehen. Seit zwei Jahren wird das Institut von Sylvia Mattl-Wurm geleitet, einer Direktorin, die es sich zum Vorsatz gemacht hat, diese Tradition fortzusetzen und mittlerweile auf eine Reihe ambitionierter Ausstellungsprojekte zurückschauen kann. Die aktuelle Ausstellung kam durch eine erfreuliche Zusammenarbeit zwischen der Wienbibliothek und der Universität für angewandte Kunst im Rahmen eines Forschungsschwerpunktes „Magie und Aufklärung“ zustande, und wurde von Brigitte Felderer und Ernst Strouhal kuratiert. Die beiden verwandelten den Ausstellungsraum in eine kleine sparsam beleuchtete Wunderkammer, die zahlreiche bibliophile Schätze und eine Reihe von Kuriositäten präsentiert.
Aus dem Bestand der Wienbibliothek im Rathaus zeigt die Schau Pretiosen, wie einige frühe Schriften, in denen die Zauberkunst erstmals Erwähnung fand. Eberhard Welpers 1690 erschienene Kompilation „Das Zeit kürtzende Lust- und Spiel Hauß, in welchem der Curiose Künstler…allerhand rare Künste und Spiele vorstellt“ oder Johann Wallbergens „Sammlung Natürlicher Zauberkünste“ von 1754 boten eine heute seltsam anmutende Mischung von chemischen und physikalischen Experimenten, lebenspraktischen Anweisungen im Haushalt und Spielanleitungen zu Zaubertricks.
Gezeigt werden Raritäten wie die „Wundergeschichten sammt den Schlüßeln zu ihrer Erklärung“ von Kajetan Tschink aus dem Jahr 1796 und Gottfried Immanuel Wenzels „Unterhaltungen über die auffallendsten neuern Geisteserscheinungen, Träume und Ahndungen…“ aus den Jahr 1800. Zauberobjekte, wie das Zauberfernrohr „Polemoskop“, Plakate, Anschlagzettel, Programmhefte und Fotos dokumentieren die verschiedenen Techniken der Zauberkunst und die Entwicklung des Magiers zum modernen Zauberkünstler in der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts.
Zahlreiche Publikationen, wie Karl Gottlieb von Windischs Sammlung der „Briefe über den Schachspieler des Herrn von Kempelen“ von 1783 oder Josef Friedrich Racknitz’ Überlegungen „Ueber den Schachspieler des Herrn von Kempelen und dessen Nachbildung“ von 1789 beschäftigen sich mit den Erfindungen von Wolfgang von Kempelen (1734-1804). Kempelen, der kein professioneller Zauberkünstler war, sondern Aufklärer und hoher Beamter am Hofe Maria Theresias und Josefs II., präsentierte dort 1769 einen schachspielenden Androiden. Der „Schachtürke“, wie man die Puppe wegen ihrer orientalischen Kleider nannte, entwickelte sich zu einer der meist diskutierten Zauberapparaturen des 18. und 19. Jahrhunderts. Wo immer Kempelen auftrat, erschien eine Flut von zum Teil bewundernden, zum Teil kritischen Schriften, die versuchten, das Geheimnis der Maschine zu enttarnen.
Kempelen warf mit seiner Erfindung die Frage auf, ob Maschinen den Menschen an Intelligenz übertrumpfen könnten. Bei seinen Präsentationen an Kaiser- und Königshöfen zeigte er seinem Publikum immer auch das Innenleben der Maschine. Nacheinander öffnete er die drei Türen des Apparates, um zu beweisen, dass darin kein Mensch saß, der das Zauberwerk bediente, sondern nur Schrauben, Rädchen und Federn dafür verantwortlich waren. Dass tatsächlich im Inneren ein kleinwüchsiger Schachmeister auf einem beweglichen Sitz hin- und herrutschte, sodass ihn die Zuschauer nicht sehen konnten und bei Kerzenlicht eine hochkomplizierte Mechanik bediente, gestand Kempelen jedoch ein. Sein „Schachtürke“, den die Ausstellung in einem Nachbau präsentiert, gilt heute als einer der charmantesten Bluffs in der Technikgeschichte.
Ein besonders wertvolles Objekt der Ausstellung ist der selten gezeigte Zauberkasten aus der Sammlung des Goethe-Museums in Düsseldorf, den Johann Wolfgang von Goethe 1830 seinem Enkel Walther schenkte. Der reich bestückte Zauberkasten enthält neben Spielen und Anleitungen, zahlreiche Zauberutensilien wie Kugelbüchsen, Becher, Zauberquadrate, Karten und Münzdosen. Als „Mittel zur Übung in freier Rede und zur Erlangung einiger körperlicher und geistiger Gewandtheit“ unterstützte Goethe den Unterricht seines Enkels Walther beim einem der innovativsten Magier seiner Zeit, dem Wiener Zauberkünstler Ludwig Döbler (1801-1864).
Aktuelle Beiträge verdankt die Ausstellung dem 1973 in Wien geborenen Daniel Egg, mit seiner Filminstallation „Box 2/paint act“ mit dem Maler Herbert Brandl als Darsteller und Horst Antes mit seinem wie ein Daumenkino funktionierenden „Flickbuch“ aus dem Jahr 2000. Es ist das einzige Exponat, das der Besucher in die Hand nehmen darf und sich beim Blättern überraschen lassen kann. Durch den konischen Zuschnitt der Buchseiten erscheint eine stets sich verändernde Seitenfolge. Öffnet man die Publikation auf der einen Seite, so erscheinen Variationen von Antes’ bekanntem Kopffüßler, wendet man das Buch und öffnet es von der anderen Seite, so lässt sich die kuriose Verwandlung eines Portraitfotos des Künstler in das Bildnis von Marilyn Monroe verfolgen.
Dank einer Vielzahl sorgsam ausgewählter und subtil präsentierter Exponate gelingt es der Ausstellung, die vielfältigen Einflüsse anzudeuten, die die Zauberkünste beispielsweise auf Präsentationsformen und Strategien der Wissenschaft im 18. Jahrhundert, zum frühen Kino, das im Zaubertheater geboren wurde, und zur Aufklärung hatten. Als kleiner Wermutstropfen erschien das Begleitbuch zur Ausstellung nicht wie geplant zur Eröffnung der Ausstellung. Die „Kultur- und Mediengeschichte der Zauberkunst“ wird erst kurz vor Ende der Ausstellung am 9. November im Springer Verlag herauskommen und im Rahmen eines internationalen Symposiums zur Geschichte und Theorie der Zauberkunst im Wiener Heiligenkreuzerhof präsentiert. Dort startet ebenfalls am 9. November die Ausstellung „Design of Illusions“, in der Arbeiten von Studierenden zur Zauberkunst gezeigt werden.
Die Ausstellung „Rare Künste – Zauberkunst in Zauberbüchern“ ist bis zum 24. November zu besichtigen. Das Ausstellungskabinett der Wienbibliothek im Rathaus hat von Montag bis Donnerstag von 9 bis 18:30 Uhr und am Freitag von 9 bis 16:30 Uhr geöffnet.