Das schöne Wetter habe ich heute genutzt und bin nach Weißensee ins Strandbad geradelt. Die Fußballvorbereitungen gehen selbst da nicht an einem vorbei, wie Ameisen wuseln die Angestellten hin und her und überall werden Leinwände stationiert. Ich hatte mich mit einem Zauberfreund verabredet, wir wollten, wie des öfteren über Zauberei plaudern, ein bisschen Schach spielen und natürlich das Wetter genießen. Das schöne an solchen öffentlichen Plätzen ist auch, innerhalb kürzester Zeit hat man Kontakt, ob nun einen neuen Schachmitspieler oder auch ein paar Zuschauer für Kartentricks.
Zauberer und Kartentricks
Die Zeit verging, die Schachpartien verliefen heute zu meinen Gunsten und später als ich los wollte erinnerte er mich noch an ein Kunststück, das ich ihm zeigen sollte. Also holte er Spielkarten hervor und hielt sie mir hin und wir improvisierten einen kleinen Kartentrick. Bei uns am Tisch saß noch ein Pärchen, welches schon herüber schaute, der Mann beobachtete ziemlich genau was ich mit den Karten anstellte und ob ich nun die gezogene Karte wieder finde, was ich natürlich tat. Also setzte ich mich zu den beiden und begann ein neues Kunststück mit den Worten „Oft beginnen die Kartentricks ja damit, dass man eine Karte zieht, sich anschaut und merkt. Dann wird die Karte wieder zurück ins Spiel gesteckt, nochmals gemischt und nun mehr oder weniger spektakulär wieder gefunden. Dieser nicht, ich möchte dass du dir eine Karte nur denkst …“ Natürlich habe ich seine Karte genannt und natürlich waren die beiden baff. Sie schauten sich an und ich merkte wie sie noch das Kunststück verarbeiteten. Doch was dann passierte empfand ich als etwas komisch und war von der Situation irritiert. Meine Kollege schnappte das Spiel und fing sofort an den nächsten Trick zu zeigen. Gab schnell Anweisungen, misch mal das Spiel, jetzt zieh eine Karte, wieder mischen und hier ist deine Karte. Und eh ich mich versah hatte er die beiden mit weiteren 3 Kartentricks überrumpelt oder auch zugeballert. Ich hatte mich zwischendurch schon verabschiedet und schaute mir nun aus einiger Distanz an wie sich die Situation entwickelte. Offensichtlich war mein Spezi nun warm gelaufen und es folgte eine ganze Fontäne an Kartentricks. Als Außenstehender war es nun interessant zu sehen wie sich dieses Pärchen verhält, ich habe sie zwar nicht gehört, doch ich konnte die Körpersprache sehen, welche bei ihr wesentlich früher Signale setzte als bei ihm. Ist ja öfter so, die meisten Männer haben halt schon immer Kartentricks gemocht.
Zauberer und ihre Zuschauer
Doch worauf ich hinaus will ist, merken wir Zauberer, wenn wir einmal in Fahrt sind gar nicht mehr wann es genug ist? Achten wir zu wenig auf den Zuschauer, seine Reaktion und seine Körpersprache? Auch habe ich bei Kollegen diesen an den Tage tretenden zu heftigen Ehrgeiz, du hast was gezeigt, jetzt muss ich was zeigen und dich übertrumpfen, schon des öfteren bemerkt und verstehe ihn nicht. Wie muss sich der Zuschauer fühlen, wenn er wie heute im Strandbad sitzt und mit Kartentricks zugebommt wird, vorallem ohne vorher zu wissen, das sind Zauberer – die können also stundenlang Kartentricks zeigen, ohne dass wir eine Chance haben wieder zu gehen.
Mir fallen da gerade die Worte von David Williamson ein, der einmal bei einem Seminar sagte, er erlebt oft wie Close-up Zauberer (Tischzauberer) mit ihrem Kunststück fertig sind und den Gästen gar keine Luft lassen das Kunststück zu verarbeiten. Oder aber gleich noch einen Witz reißen müssen und das Kunststück somit runter machen. Er hatte die Idee, nach gelungenem Kunststück mal einen Gegenstand fallen zu lassen, aufzuheben und beim hochkommen die Gäste zu beobachten, wie sie mit ihrer Körpersprache arbeiten oder Blicke austauschen. Pausen setzen ist wirklich etwas was man lernen muss, dafür bin ich den vielen Veranstaltungen im Close-up Club Berlin dankbar.
Hier gibt es noch einen Artikel über Zauberkunst, Präsentation und Zuschauerhandling, ein Thema was mir auch sehr am Herzen liegt. Denn manchmal ist es für mich erschreckend wie mit den Zuschauern umgegangen wird.
Worauf es bei jeder Zaubervorführung ankommt, egal ob impromptu oder extrem formell ist der Gesamteindruck den der Zuschauer bekommt.
Ein Zauberer sollte sich also vorher Gedanken machen,welchen Eindruck er hinterlasen will. Da gibt es erstmal kein richtig oder falsch, Hauptsache er weiss was er bezweckt.
Ein Mittel zum Zweck wird dann die Dynamik und das Tempo,so wie z.B. bei einem Klavierkonzert.
Ein Klavierkonzert das langsam und leise anfängt ist nicht besser oder schlechter als eines das laut und schnell beginnt.
Das sogenannte “ Zuballern“ ist eine Technik die mir meisterhaft von Sal Piacente gezeigt und später von Roger Klause erklärt wurde.
Sie funktioniert übrigens bei erfahrenen Zauberern genauso wie bei Laienuschauern; d.h. man zeigt drei oder mehr Effekte ohne den Zuschauern wirklich Zeit zum Verarbeiten zu geben (schnelles Tempo, forte) dann folgt eine Pause und man führt das nächste Kunststück verbal ein (z. B. klassischer Stoptrick) bei dem der Zuschauer praktisch alles selber machen kann. Die fairen Konditionen werden nochmals betont, was im Kontrast zum schnellen Anfangstempo steht und daher viel stärker erinnert wird. Auch die zeitliche Ablenkung wird auf diese Art effektiver und, was das Wichtigste ist, das Erklärungsmodell das der Zuschauer bis dahin aufbauen konnte, nämlich das alles „nur“ Fingerfertigkeit ist, wird zum Einsturz gebracht.
Ein schönes Beispiel für diese Technik gibt es auch von den fertigen Fingern mit ihrem „Geldschein im Sektkorken“. Sal hat damit erfahrene Kartenkünstler mit einem einfachen Leitkartentrick zur Verzweiflung getrieben.
Was ich bis jetzt geschrieben habe wäre völlig banal, wenn diese Technik mir nicht helfen würde einen von mir gewünschten Gesamteindruck beim Zuschauer zu hinterlassen. Das hört sich jetzt vielleicht komisch an, aber ich bekomme relativ häufig Kommentare wie : “ Jetzt habe ich aber schon ein bisschen Angst“ oder „Das ist mir jetzt unheimlich.“.
Genau so einen Eindruck möchte ich aber hinterlassen und das geht nur, wenn das Gezeigte irgendwann Unerklärlich wird.
Fingerfertigkeit mag zwar beeindruckend sein ist aber eine, wenn auch stark generalisierte,
Erklärung, die letztendlich eliminiert werden muss.
Letztendlich sind auch die Karten nur Mittel zum Zweck, denn sie ermöglichen es den Zuschauer zusammen mit dem Vortrag in die richtige mentale Verfassung für die grossen Kunststücke zu bringen; die sogenannte conversational trance von Erickson.
Zauberei findet ausschliesslch in den Köpfen der Zuschauer statt und es geht mir darum diese Köpfe entsprechend vorzubereiten.
Zum Schluss möchte ich nochmal festhalten, dass das mein Zugang ist, meine Geschwindigkeit (es würe mir sicherlich guttun die langsamen Phasen noch viel langsamer zu gestalten, ich hoffe stark mich ewig weiter zu entwickeln und zu verbessern), meine Dynamik und mein Stil. Das ist nicht der einzige und sicherlich nicht der einzig richtige Vorführstil.
Ich hätte an dem Tag auch nicht die Karten in die Hand genommen, wenn ich gewusst hätte, dass Du weitermachen willst. Zwei Zauberer, zwei Stile, ist ja auch gut so. Vorher absprechen hätte man es können. Nichts für ungut auf jeden Fall.
P.S.
Das oben geschriebene soll übrigens nicht heissen, dass D. Williamson unrecht hätte und man den Zuschauern bei den Haupteffekten keine Zeit zum Verarbeiten geben sollte. Aber gerade er, z.B. bei seinem Becherspiel ballert sie ja vor dem Finale ja auch ziemlich zu. Ein Effekt jagt den anderen bis sich der Höhepunkt anbahnt, fast wie im echten Leben.
Hi Daniel,
das ist alles schön und gut was du schreibst, doch bleiben wir mal bei deinem Vergleich mit dem Klavierkonzert, ich glaube wenn ein Pianist ein Konzert gibt, die Zuschauer begeistert und während diese dann noch am applaudieren sind, ist es etwas komisch, wenn nun ein weiterer Pianist aus dem Publikum aufsteht und ihnen auch noch was vorspielt.
Ich spreche hier nicht vom Tempo ob ein Kunststück oder ein Vorführstil langsam oder schnell ist, sondern wie du oben ansprichst vom Gesamteindruck, den zwei Zuschauer hatten, die nichtsahnend und sich nicht wehren könnend nun dem Zauberer für die nächste halbe Stunde und einem Kartentrick nach dem anderen ausgeliefert waren 🙂
Ich denke mit Kommentaren wie: “Das ist mir jetzt unheimlich.” bist du nicht der Einzige, diese Aussagen hören viele Zauberer. Alles nur auf Fingerfertigkeit runterschrauben, ist nicht meine Absicht, schon gar nicht im oben genannten Beispiel, gerade da sprechen wir von einer nur gedachten Karte und der Zuschauer hat sie zu keinem Zeitpunkt genannt oder auch nur jemandem gezeigt, diese existiert nur in seinern Gedanken und da von dem Lösungsansatz „Fingerfertigkeit“ zu sprechen wäre quatsch.
„Zuballern“ ist das eine, was ich nur bedingt akzeptieren möchte und dies auch nur in bestimmten Situationen, gib dem Zuschauer doch mal die Gelegenheit das Kunststück, den Effekt welchen du gerade geschaffen hast zu verarbeiten.
Bei dem angesprochenen Becherspiel, denke ich vermischt du zu viele Argumente, denn das Becherspiel ist ja eine in sich geschlossene Routine, mit aufeinander aufbauenden und verstärkten Effekten oder immer wieder unmöglicheren Durchdringungen oder Ladungen an Bällen, Kartoffeln usw. Wenn nach dem Becherspiel der nächste Zauberer gleich einen Chop Cup zeigt und danach gleich der nächste noch seine „Kaffee Wette“, stimmst du mir bestimmt zu ergibt das „zuballern“ keinen Sinn und verstärkt nicht gerade deinen oben beschriebenen Ansatz von der Fingerfertigkeit wegzukommen.
Ich denke dies sollten wir mal, mit noch ein paar Zauberkollegen, bei einem Glas Wein ausdiskutieren 🙂
PS: Und was das Unterbrechen anbelangt, du hast mir ja gar keine Chance gelassen weiter zu machen, denn die kurze Pause (21 Mississippi 22 Mississippi) hast du nicht akzeptiert, sondern gleich nach den Karten gegriffen, also kannst du nun nicht sagen, dass du nicht wußtest, dass ich noch was zeigen wollte … und mal abgesehen davon hatten wir vorher was ausgemacht, wie bei dem Mal davor auch schon 🙂
Zugegeben, Pausen einfach mal zu akzeptieren fällt mir etwas schwer und zwar speziell am Anfang einer Vorführung. In anderen Worten, ich hätte mich einfach zurücklehnen können und dich mal machen lassen. Keine Frage, geht das nächste Mal so in Ordnung.
Allerdings gerade was Fingerfertigkeit angeht waren deine einleitenden Worte sinngemäss:
“ Der Kollege hier ist ein echter Kartenfreak, da kannst du dir ´ne Karte ziehen und er findet sie mit viel Geschick und Fingerfertigkeit. Ich mach das anders, bei mir musst du nur an eine Karte denken.“
Das heisst bei dem von dir gezeigten Effekt ist es tatsächlich Quatsch von Fingerfertigkeit zu reden, aber ich bin schon als Kartenfreak abgestempelt bevor ich die Karten überhaupt in die Hand nehme.
Ich nehme an, dass dein Vortrag zu diesem Kunststück normalerweise lautet:“Andere Zauberer lassen dich eine Karte ziehen, bei mir musst du nur an eine denken…“
Nun ist es tatsächlich so, dass mein Karten- und auch sonstiges Zaubern zum grössten Teil auf Fingerfertigkeit basiert. Damit habe ich kein Problem und es soll auch Teil des Gesamteindrucks sein, aber eben nicht alles.
Ich möchte,dass der Zuschauer denkt, der Typ kann phänomenal mit Karten umgehen, aber dass die Karte in der Flasche landet oder dass sich die Karte auf meiner Hand verwandelt oder etc. etc. lässt sich mit Fingerfertigkeit und Geschick auf keinen Fall erklären, das ist Zauberei. Dazu gibt es einen sehr empfehlenswerten Aufsatz von Ortiz in Scams and Fantasies.
Ich stimme dir zu, dass Becherspiel, chop cup und Kaffeewette eine bescheuerte Tricksequenz wäre, aber das kann man so mit Karten nicht vergleichen. Karten bieten viel mehr Möglichkeiten zur Abwechslung, darum kann man ja auch ein Programm nur oder fast nur mit Karten gestalten ( siehe Ortiz, Tamariz, Swain, Carpenter u.v.a.)
Aber denk mal an die chop cup von Paul Daniels, wenn das kein „Zuballern“ ist, gibt es zuballern gar nicht.
Auch und gerade beim klassischen Becherspiel ist das was hängenbleibt die Schlussladung. Gerade hier dienen die vorangegangenen Effekte, also die Penetrationen, Transpositionen etc. dazu den Zuschauer mental ins Taumeln zu bringen um die Schlussladungen auch psychologisch unsichtbar zu machen.
Na dann bin ich mal auf´s nächste Mal gespannt, ich glaub es ja noch nicht 🙂
Und was die Einleitung anbelangt, die war schon auf dich gemünzt, sie war zwar noch ein bisschen anders, aber was soll ich sagen, wenn da ein Typ sitzt und die ganze Zeit irgendwelche Griffe mit Karten klopft, ok ich hätte auch sagen können ADS, aber dies wäre bestimmt nicht gut angekommen, obwohl eigentlich trifft es bei uns Zauberern doch zu oder?
Was deine Fingerfertigkeit anbelangt, die will ja auch keiner in Frage stellen, doch reduzierst du dich eben selbst auf diese, wenn ein Trick den anderen jagt. Denke mal an deine Show, wo du durch die Kunststücke gerast bist und du völlig das Zeitgefühl verloren hast, ich denke für den Zuschauer war es doppelt so schnell und doppelt so viel Input an Kartentricks. Und nun erinnere dich an die Bemerkung von Alina „das Kartenkunststück, wo du nur die paar Karten hattest und den Text über Odysseus und die Sirenen erzählt hast, das hat mir am besten gefallen“. Und schon gerät deine Karte in Bierflasche ins Hintertreffen …
Oft ist für uns Zauberer ein technisch anspruchsvollerer Effekt wichtig, doch wie ist die Wirkung auf den Zuschauer? Und vor allem kann er uns auch folgen? Deshalb stellt sich die Frage, muss diese Technik wirklich sein oder kann ich das Kunststück auch ohne diese spezielle Technik/ Move vorführen. Aber darum sind eben „Klassiker“ auch Klassiker, weil sie einfach gut sind und oft im Laufe der Jahre gewachsen und in ihrer Struktur so simpel und doch so stark 🙂